Mehr als die klassische Steuerberatung

30.03.2022

Der Steineflüsterer – Rolf und sein magischer Keller

Mit einem Gefühl zwischen vorauseilender Ohnmacht und ersehntem Termindruck setze ich meine Zeigefingerkuppe auf den vergilbten Klingelknopf. Meine Frau formt ihr versiertes Verwandtschafts-Lächeln. Ihr Bruder Rolf, den sie nur ein, zwei Mal im Jahr sieht, öffnet die Tür. „Wie schön, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Euch wird heute die ein oder andere Erweckung erwarten, kommt herein“, rollt er uns den roten Esoterik-Teppich aus. Der passionierte Leinenstirnband-Träger führt uns forsch in seinen Keller. Dort begrüßt uns rechts, vor allem olfaktorisch, ein üppiger Hanfanbau. Links frohlockt sein neuer Schatz – ein Schatz, der Rolfs Horizont um Kosmen erweitere, wie er betont.


Auf einer riesigen rauchgrauen Fleecedecke reiht sich Stein an Stein – Größen, Farben und Formen wechseln sich eindrucksvoll ab. Unter den meisten Ausstellungsstücken ist ein Zettelchen drapiert, mit Fachbezeichnung, Erwerbsdatum, Spezialkraft und geografischer Verortung. Ich entdecke ein bizarr gezacktes Exemplar, in gedämpftem Beige, mit rußschwarzen Flecken. Die Notiz kündet: Fachbezeichnung: Dentes praemolares, Erwerbsdatum: Geburt von Rolf Hagemann, Spezialkraft: Zerkauen von Lebensmitteln, geografische Verortung: Backentasche von Rolf Hagemann. Der aufschießende Ekel bügelt meine Gesichtszüge glatt. Rolf legt sein Gebiss aufreizend breit frei und grinst mich an: „Warum so ernst, Robert? Ist doch menschlich.“


Rolf predigt von den konzentrationsstärkenden Qualitäten des Sodaliths, von der Harmonie, die der Rosenquarz verströmt. Dann füllt er ein Säckchen mit Steinen und geleitet uns nach oben. Endlich Kaffee und Kuchen, wähne ich mich in Sicherheit. Doch nach den ersten Bissen Hanf-Haselnuss-Sorbet fasst er in das Säckchen und wispert: „Robert, bewahre diesen Stein in deiner Faust, schließe die Augen, und sag mir, was du fühlst.“ Ich folge seiner kruden Anweisung, beherberge den Stein, klappe die Augen zu – und gleise dann gedanklich den Einkaufszettel für heute Abend auf: Rohrreiniger, Zahnpasta, Erdnussflips...


Ohne ihn visuell wahrzunehmen, spüre ich den prüfenden Blick meiner Frau auf meinen Lidern brennen; also streife ich spontan das Gewand des Erleuchteten über: „Mich durchfährt eine Liebe, die ich seit Jahren nicht mehr erfahren habe. Rolf, dieses Gefühl ist so...“ „Liebe, die du seit Jahren nicht mehr erfahren hast?“, koffert mich Angela an. Ich blinzle nervös. „Oder, sagen wir... seit einer Woche.“ „Du hattest vorgestern Geburtstag“, poltert sie weiter. „Wenn dir meine Geschenke so wenig bedeuten, kannst du zukünftig alleine feiern.“ Schachmatt an das Rad dieser Zwickmühle gefesselt, versinke ich in mein Schicksal und schweige.


Bis es nach einigen Minuten klingelt. „Ah, mein Kunde“, springt Rolf auf und heißt an der Tür einen jungen Mann willkommen. Während Rolf in den Keller tänzelt, erkenne ich, wer da steht: unser Schwiegersohn – David. Irritiert frage ich ihn, was er hier treibe. „Herr Hagemann hat mir... er hat mir über das Internet Salat verkauft; außergewöhnlich frischen Salat. Ich möchte eurer Tochter damit ein wundervolles Abendessen zubereiten. Aber... was macht ihr eigentlich hier?“ „Rolf ist mein Bruder“, klärt Angela auf. In dem Moment hechtet Rolf mit einer Plastiktüte in der Hand die Treppe wieder hoch: „Hier ist Ihr Kilo Hanf“, hält er David die Tüte hin. „Wie Sie es in der E-Mail geschrieben hatten: besonders stark.“ Die anschließende Diskussion unter allen Beteiligten war eines nicht: biologisch abbaubar. Dafür aber: umso nachhaltiger.


Zum Glück kann ich mich wenigstens auf den klaren Verstand meines Steuerberaters Roland Wilm verlassen. Er driftet nicht in Träumereien ab, sondern behält die Tatsachen präzise im Visier. Apropos: Ich rufe ihn morgen mal an – er möchte letzte Details zur Steuererklärung 2020 mit mir besprechen.


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