20.11.2020
Herz trifft Stift – die kunstvolle Mittagspause meines Sohnes
Überall stehen Bonsai-Tannenbäume, geschmückt mit glänzenden Kugeln, goldenem Lametta und feinen Schleifchen. An der Decke schwebt ein riesiger Adventskranz, auf dem klobige Kerzen glühen. Ich bin dabei, erste Geschenke zu kaufen, als ich in meinem Rücken eine vertraute Stimme höre: die meines Sohnes. Ich drehe unauffällig meinen Kopf. Er setzt sich mit einem Mozzarella-Baguette neben ein älteres Ehepaar, auf eine Bank etwa zwei Meter von mir entfernt.
„Schön, dass Sie mit uns Ihre Mittagspause verbringen“, spricht ihn der Mann an. „Woher wissen Sie, dass ich gerade Mittagspause mache?“, erwidert Luca. „Ich habe gesehen, wie Sie um Punkt zwölf Uhr die Werbeagentur verlassen haben. Ich bin zwar schon fast 80, aber dank Sudoku kombiniere ich wie ein Junger.“ Luca schmunzelt. „Sagen Sie“, flüstert die Frau, „können Sie gut zeichnen? Werbung muss doch gestaltet werden.“ Eigentlich hat Luca als Azubi für Web-Design kaum etwas zu tun mit Bleistift, Papier und Radiergummi. Doch er hält die Illusion der Dame aufrecht, sie habe es mit Picasso höchstpersönlich zu tun: „Ja, ich habe früher Porträts gezeichnet, von meiner Schwester.“
„Was für ein toller Zufall“, sagt die Frau. „Könnten Sie ein Porträt von uns anfertigen? Am ersten Advent ist unser Hochzeitstag. Wir würden gerne erfahren, wie sich das gemeinsame halbe Jahrhundert in unseren Gesichtern widerspiegelt.“ „Jetzt?“, stutzt Luca. „Ja“, schaltet sich der Mann ein. „Wenn Ihre Zeit reicht. Natürlich bekommen Sie dafür ein kleines Weihnachtsgeld“, zwinkert er ihm zu. „Geben Sie mir fünf Minuten“, fordert Luca. Ich drehe meinen Kopf wieder unauffällig. Luca steuert den Schreibwarenladen an. Kurz später kommt er zurück. Ich wende mich wieder zu den Hemden in tropischen Farben, die aus dem Schaufenster leuchten.
Ich vernehme, wie ein Bleistift über ein Blatt Papier – das wohl auf einem Buch liegt – fährt. Hier eine Falte, dort ein Altersfleck, da eine Braue. Nach einer viertel Stunde ist das Kunstwerk fertig. „Es war mir eine Ehre“, sagt Luca und reicht der Frau die Köpfe. Der Mann zerrt aus seiner Hosentasche einen grünen Schein hervor. Das sehe ich, weil ich mich mittlerweile umgedreht habe. Ich laufe zur Bank und stelle mich hinter Luca. „Das ist mein Sohn – ein wahrer Meister seines Fachs“, sprudelt es aus mir heraus. Luca stößt einen Schrei aus. Ich schwinge meinen Arm um seine Schulter. Er windet sich nach unten, als wolle er sich aus meinen Fängen befreien. Ich schlage abermals einen Bogen und packe ihn satt am Nacken. „Du hast ein gutes Herz, Junge – man merkt, du kommst nach mir!“, lache ich mit beiden Zahnreihen. „Papa, was machst du hier?“
Das Ehepaar kringelt sich. „Sie sind der Höhepunkt unseres Winters“, prustet der Mann. „Seien Sie froh, dass Ihr Vater Sie so mag“, sagt er zu Luca. Der beruhigt sich langsam wieder. „Da haben Sie recht. Trotzdem ist es manchmal eine ‚Kunst‘, mit ihm klarzukommen.“ Wir verabschieden uns, dann lade ich Luca zum Italiener ein. Ich esse gerade eine Sardellen-Pizza, als mich jemand antippt. „Papa, von was träumst du, dass du so schmatzt?“ Ich blinzle. „Auf-wach-en“, grinst Luca. Er steht an der Haustür. Ich war auf der Birnbaum-Bank eingenickt. „Oje, ich hatte doch einen Termin mit meinem Steuerberater – wegen der neuen Mehrwertsteuersätze ab Januar.“ Meinen Laptop hatte ich mit nach draußen genommen. Ich fahre ihn hoch und logge mich in der Video-App ein. „Pünktlich, wie immer“, lobt mich Wilm. Zum Glück bietet er diesen Service auch zukünftig an – mit dem Auto hätte ich sein Büro nicht mehr erreicht…
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