27.04.2021
Dem Himmel entgegen – Rolfs Reise ins grüne Nirvana
Zwanzig Minuten zu früh stand er auf der Matte – schwer bepackt, als ginge es nicht auf die Wasserkuppe, sondern auf die Anden. Wäre ein Alpaka aus seinem Windschatten hervorgetreten – mich hätte es nicht überrascht. Er reicht mir seine hagere Hand, die sich aus einem Stoß vergilbter Freundschaftsbändchen hervorschiebt. „Salve Robert. Sind wir bereit für die heiligen Höhenmeter?“ „Na klar, Rolf, immerzu.“ Mit meinem Schwager einen Berg zu besteigen, gleicht einer Pilgerreise. Trotzdem besteht meine Frau darauf, mindestens einmal im Jahr mit ihm zu wandern. Er habe doch niemanden, sei schon so lange Single. Wer ihn kennt, weiß warum. Mit seiner Rund-um-die-Uhr-Natur-Huldigung bringt er einen nicht nur auf die Palme, sondern auf die Christusstatue von Rio.
Wir fahren zum Parkplatz vor der Erhebung und setzen unsere Füße auf den Schotter. Mit dem Gesichtsausdruck eines Kommissars vor dem Verhör blickt Rolf mit seinen Äuglein aus der Nickelbrille zum Gipfel: dem verheißenen Ort. Wie gewohnt, läuft er mit seinen Jesus-Latschen stets fünf Meter vor uns. Mit dem gliedrigen Gang eines Weberknechtes erobert er beharrlich Grund und Raum. Auf den Kreuzungen schaut er sich aufmerksam um – als lauerten Böcke und Bären nur darauf, sein schlaffes Fleisch zu kosten. Immer wieder packt er seine Pilze-Enzyklopädie aus und vergleicht die Lamellen der vielfältigen Vertreter, die aus dem Boden treiben. Ergänzend nimmt er Geruchsproben: „Ah, jetzt, ja – jaaa, unverkennbar, ein Grauer Wulstling.“
Oben angekommen, atmet der Möchtegern-Messner mit geschlossenen Augen tief ein und aus. Für Rolf ist das nicht lediglich das Ende des Aufstiegs – es ist der Schritt in einen Paternoster Richtung Ewigkeit. Als er die Augen wieder öffnet, wird er Zeuge eines seltenen Spektakels: Vor dem riesigen Radom – einer ehemaligen Radarkuppel – hatte sich ein älteres Paar auf einer Decke eingefunden, das sich nun lüstern Nussecken zwischen die feuchten Lippen schiebt. Rolfs Gesicht schwillt an, die Äpfel quillen aus den Höhlen, sein sonst so ausgeglichener Atem – fiebrig. Einst kündete er von einem großen Schwarm aus dem gemischten Kunstunterricht (er besuchte eine Knabenschule). Ist sie das etwa? Will er ihrem Gatten die Gurgel verbiegen? So ist Rolf doch nicht?!
Als habe er auf eine heiße Herdplatte gegriffen, rast Rolf auf die beiden zu. Seine Arme sind ausgefahren. Der Mann und die Frau schrecken auf, kugeln sich in der Hitze des Gefechts wie zwei verschlungene Sumoringer aus dem baumwollgeknüpften Kampfquadrat. Ich hechte Rolf hinterher und springe ihm auf den Rücken. Dann stürzt er wie ein Prediger auf eine Stelle direkt neben der Decke. Er reißt eine Blume aus dem Boden und reckt sie in die Luft. Ich – sein lebender Rucksack – berühre zufällig den Stängel. „Eine Türkenbundlilie! Vom Aussterben bedroht! Wie schön, dass auch du ihr huldigst, Robert.“ Meine Frau hält sich die Hand vor den Mund. Rolf stockt: „Habe ich jemanden aus der Fasson gebracht?“ Er legt die Lilie schüchtern in das Salzstangenschälchen des Pärchens, das ihn zitternd anstarrt. „Oh, echtes Mangoholz... halten Sie die Blume in Ehren. Und entschuldigen Sie vielmals.
Auf dem erlösenden Heimweg begegnet mir Roland Wilm. Er weist mich darauf hin, dass ich Corona-Schnelltests für meine Angestellten als Betriebsausgaben absetzen kann. Eine wichtige Info, die mein Bestreben nach bestem Schutz bestärkt. Manchmal wünschte ich, es gäbe auch Schnelltests für Sauerstoffmangel in hohen Gefilden – und den damit verbundenen Verrücktheiten.
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