11.05.2024
Karriere, Kaffee, Kleiderordnung – unser Besuch auf der Wochenstation
Die ersten Minuten des Telefonats mit meinem Schwiegersohn waren so, wie ich es erwartet hatte: Erleichterung, dass alles gut gegangen sei, pure Begeisterung über den Nachwuchs, Details zum Aussehen von Gemma. Doch dann enthüllte David überraschende Job-Neuigkeiten: „Ich habe mich während meiner Besuche im Krankenhaus sehr für die Arbeit des Pflegepersonals interessiert. Bei einfachen Aufgaben habe ich sogar mitgewirkt, ich habe Müttern etwa Kaffee gebracht.“ Die Oberschwester sei von seinem Engagement beeindruckt gewesen. Sie habe ihm ein Praktikum angeboten, das zeigen soll, ob er für eine Ausbildung zum Pfleger geeignet sei. Also bat er mich am Telefon, ihn bei unserem Besuch nicht bloßzustellen oder schlecht über ihn zu reden. „Habe ich das jemals getan?“, antwortete ich und kicherte in den Hörer.
Samstagnachmittag. Wir stehen im Zimmer der Wochenstation, der süßliche Duft von Neugeborenem liegt in der Luft. Gemma schlummert friedlich in ihrer Wiege. Plötzlich tritt David durch die Tür. Er trägt einen weißen Kittel am Körper und eine Kaffeetasse in der Hand. „Ah, Herr Doktor, Sie haben doch meine Tochter entbunden, oder?“, begrüße ich ihn. „Nicht ganz, Robert. Ich habe zwar meinen Teil zum Nachwuchs beigetragen, aber nicht diesen“, erwidert er grinsend. „Den Kittel habe ich vorhin zum Anprobieren bekommen. Ich finde, er steht mir prima. Ich wollte ihn euch präsentieren, auch wenn mein Praktikum erst nächste Woche beginnt“, sagt er stolz. „Ich habe dir einen Kaffee geholt, stark wie ein Herzinfarkt, wie du ihn magst“, ergänzt er in meine Richtung. „Schön zu sehen, dass dein Servicetalent endlich zum Vorschein kommt“, erwidere ich und zwinkere ihm zu.
Meine Gelassenheit hält allerdings nicht lange an. David läuft ein paar Schritte – und stolpert über das Paket Bücher, das wir unserer Tochter mitgebracht hatten. Der Kaffee ergießt sich über meinen Schuhen. Ein kollektives Stöhnen erfüllt den Raum. Auch auf dem Flur erregt der Vorfall Aufsehen. Lauter werdende Schritte sind zu hören – jemand vom „echten“ Krankenhauspersonal nähert sich dem Zimmer. Blitzschnell trete ich auf die Kaffeeflecken zwischen meinen Schuhen, um sie zu verdecken.
Eine ältere Dame mit Meckischnitt und ausgeprägten Zornesfalten betritt den Raum. Es ist Frau Kockhahn, die Oberschwester. „Ist hier etwas passiert?“, fragt sie. „Nein“, antworte ich gewollt knapp. „Aber Ihre Schuhe sind nass?“, hakt sie nach. „Wissen Sie … ich habe sie vor dem Krankenhausbesuch frisch gewichst – ein besonderer Anlass erfordert gepflegte Schuhe, sehen Sie nicht, wie schön sie glänzen?“ „Ich sehe vielmehr, dass Sie wie ein Zinnsoldat dastehen. Sie müssen Ihre Beine nicht zusammenpressen; gehen Sie ruhig auf die Patiententoilette, wenn es bei Ihnen drückt.“ Ich nicke verlegen.
Frau Kockhahn wendet sich David zu. „Herr Zimmermann, es wäre besser, wenn Sie Ihre Arbeitskleidung diskret in der Umkleide anprobieren, statt sie auf der Station auszuführen. Wir sind hier nicht bei der Pariser Modewoche. Außerdem führt das führt zu Missverständnissen beim Personal und den Wöchnerinnen.“ „Frau Kockhahn“, verteidige ich David, „ich habe ihn dazu angestiftet. Die weiße Kleidung passt einfach perfekt zur Situation. Er sieht darin aus wie ein Engel, der die frohe Botschaft einer Geburt verkündet. Ich wollte sie unbedingt an ihm sehen.“ Spätestens jetzt schien Frau Kockhahn nicht mehr sicher zu sein, ob sie mich direkt in die benachbarte Psychiatrie einweisen sollte oder ob ich aufgrund der Geburt von Gemma komplett durch den Wind bin. In meinem Nacken spüre ich, wie Angela und Mia mit dem Lachen kämpfen.
Anders sieht es bei Gemma aus. Sie fängt an zu weinen und zu schreien. David nimmt sie fachgerecht aus der Wiege und schaukelt sie fachgerecht in seinen Armen. Er legt höchste Empathie und Fürsorge in diese Handlungen, als wolle er Frau Kockhahn beweisen, dass er ohne Zweifel der richtige Mann am richtigen Ort sei. Und Gemma hört tatsächlich auf zu weinen, was Frau Kockhahn tief beeindruckt. „Entschuldigen Sie, Herr Zimmermann, wie konnte ich einen derart einfühlsamen Menschen nur so rabiat zurechtweisen.“ Dann trifft ihr Blick auf mich: „Herr Taxing, Sie sollten sich allerdings genau überlegen, welche Ratschläge Sie zukünftig erteilen.“
Glücklicherweise klingelt in diesem Moment das Telefon. Auf dem Display steht „Roland Wilm“. Mein Steuerberater. Die Schwester verlässt den Raum. Ich hebe ab und erkläre ihm, dass ich gerade im Krankenhaus bin, um meine frischgeborene Enkelin zu sehen. Er beglückwünscht mich und verspricht, sich morgen noch einmal zu melden. Heute war er auf eine ganz unsteuerliche Art und Weise ein echter Retter.
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