04.06.2024
Mein Sohn – der tröstende Student
Früher Abend, draußen nieselt es. Die gotische Kirche gegenüber von Lucas Studentenwohnheim hüllt sich in Dunst. Blanke Tristesse. Drinnen jedoch nicht. Luca sitzt auf seinem Bett, vor ihm ein aufgeblättertes Fachbuch zum Thema 3D-Visualisierung. Und sein klingelndes Handy. Freddy Mercury und David Bowie schmettern den Klingelton: „Under Pressure“. Unter Druck fühlt sich Luca jetzt auch. Er wusste zwar, dass dieser Moment kommen würde, doch dass er so abrupt in seine andächtige Ruhe platzt, lässt ihn automatisch tiefer atmen.
Luca ist ein sozial begabter Mensch, schließlich kommt er nach mir. Seine Freunde schätzen ihn als besonnenen Gesprächspartner, etwa wenn sie eine Klausur in den Sand gesetzt haben oder eine Trennung verarbeiten müssen. Zudem motivierte ihn die gegenwärtige Zeit voller Krisen und Sorgen, im Kleinen Gutes zu bewirken. Also entschloss er sich, ein privates Sorgentelefon aus der Taufe zu heben. Er entwarf einen Aushang und klebte ihn an Supermarkt-Pinnwände, Litfaßsäulen und Bäume: „Wenn Sie etwas bedrückt, höre ich Ihnen gerne zu. Rufen Sie mich montags oder mittwochs zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr an. Gerne anonym. Luca, 23, Student.“
Zurück im Zimmer. Das Telefon klingelt immer noch. Luca schluckt noch einmal kräftig und hebt ab. „Luca Taxing hier.“ Jemand atmet stockend: „Hallo? Spreche ich mit, ähm, diesem Luca von diesem Sorgentelefon?“, meldet sich eine ältere Frau mit kratziger Stimme. Einige Sekunden Stille. „Ja, genau, der bin ich“, sagt Luca langsam und deutlich. Er fährt ohne Pause fort, um sich selbst und der Frau Routine zu suggerieren: „Ich freue mich, dass Sie mich anrufen. Was kann ich für Sie tun?“, fragt er. „Danke, dass Sie sich Zeit nehmen. Wirklich, herzlichen Dank. Hören Sie. Meine Freundin ist seit Dezember im Pflegeheim. Ich habe keine Möglichkeit, sie zu besuchen; mein Sohn wohnt zu weit weg, um mich zu ihr zu fahren. Es geht ihr nicht so gut. Ihre Demenz wird immer schlimmer …“ Ihre Stimme bricht.
Luca ist kein Profi. Er schweigt. Erstens, um ihrem Schmerz Raum zu geben, zweitens, um seine Nervosität auslaufen zu lassen. Dann sagt er: „An Ihrer Situation kann ich vermutlich nichts ändern. Aber ich kann Ihnen zuhören und versuchen, tröstend für Sie da zu sein.“ Die Dame sortiert sich. Und erzählt. Und erzählt. Sie schafft es, auf die andere Seite des Berges der Emotionen zu gelangen und beginnt zu sprudeln, als sie aus ihrem früheren Leben berichtet. Sie spricht von ihrem Job in einer Imbissbude, von der krachenden Julisonne, die ihren Kopf in dem Wägelchen zum Glühen brachte, vom stolzesten Tag ihres verstorbenen Mannes, der einmal „fast von der Eckfahne aus mit dem Hinterkopf ein Tor erzielt hat, wie Uwe Seeler. Den kennen Sie doch, oder?“ Fußball ist für Luca sicheres Terrain: „Natürlich. ‚Uns Uwe‘, das Kopfball-Ungeheuer. Teil der Final-Elf bei der Weltmeisterschaft 1966, das weiß ich, auch wenn ich das Spiel nicht gesehen habe.“ Die Frau lacht.
Nach einer halben Stunde hat Luca das Gefühl, dass die Dame ausreichend mit Freude genährt ist: „Rufen Sie mal bei der Familie Ihrer Freundin an. Sie schenkt Ihnen sicherlich ein offenes Ohr. Fragen Sie höflich, ob sie Sie bei einem Besuch im Heim mitnehmen könnte“, ermutigt er sie. „Ich weiß nicht, ob ich mich überwinden kann“, erwidert sie. „Doch, doch. Genauso wie Sie mich angerufen haben“, schiebt er hinterher. Die Frau bedankt sich nachdrücklich und verabschiedet sich bei Luca. Das war also der erste Anruf. „Ein bisschen Achterbahn, ein bisschen Gottesdienst“, resümiert er.
Bei den folgenden Anrufen wechseln sich Licht und Schatten ab. Ein kleiner Junge, vielleicht acht Jahre alt, beklagt, dass seine Eltern ständig streiten würden, und hält den Hörer als Beweis in die Küche, wo beim gemeinsamen Kochen markige Worte fallen. Meist bedanken sich die Trostsuchenden aufrichtig. Manchmal fordern sie seltsame Dinge: ob Luca ihr Aquarium reinigen könne. Die Zitterrochen würden nicht beißen. Ob er ihnen einen Gehstock schnitzen würde, mit eingraviertem Paulaner-Emblem.
Was sich allerdings vergangene Woche am Hörer abspielte, war außergewöhnlicher als alles andere. Mein Bruder, der sich seit Jahren nicht mehr bei mir gemeldet hatte, rief aus dem Nichts bei Luca an. Was er meinem Sohn sagte, machte mich sprachlos; dazu mehr im nächsten Monat. So gut wie nie sprachlos ist zum Glück mein Steuerberater Roland Wilm. Er ist mein persönliches Steuer-Sorgentelefon. Zuletzt habe ich ihn gelöchert mit Fragen zu den Rechnungen, die ich für die Steuererklärung 2023 zusammentragen muss. Dadurch behalte ich den Überblick. Ich und Bürokratie …
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