05.12.2024
Zwischen Zollbeamten und Scharlatanen – David und seine Ahnen
David starrt immer noch ungläubig auf die Ahnenforschungs-Seite, als hätte er eine neue skurrile Tierart entdeckt. Schließlich tapert er in eine Ecke des Raums, zieht hinter dem Schrank einen Campingstuhl hervor, kehrt zurück, klappt ihn auf und setzt sich Schenkel an Schenkel neben mich. Er wendet sich zu mir – seine Augen weiten sich, seine Stirn legt sich in Sorgenfalten, als wolle er ein Geständnis ablegen, ein Geständnis von der Schwere dieser fortgeschrittenen Stunde.
„Robert“, sagt er ungewohnt nachdenklich, „ich habe meine Großeltern väterlicherseits nie kennengelernt. Mein Vater war schon recht alt, als ich geboren wurde, und starb, als ich fünf war. Er hatte durch die Arbeit in der Zeche eine verstaubte Lunge.“ Ich halte inne, schlucke, beschließe, keine weiteren Erläuterungen einzufordern. „Warte kurz“, sage ich in einem Ton der mitfühlende Strenge. Ich klicke auf den PayPal-Button, um die Stammbaum-Funktion freizuschalten, und drehe David den Bildschirm zu. Seine Gesichtszüge erweichen. Ich zucke mit dem Kinn in Richtung des Screens und blicke ihn an. „Klar, schau ruhig mit, und danke fürs Bezahlen – wundert mich ja ein bisschen, dass du PayPal nutzt.“ Ob der einzigartigen Umstände kommentiere ich diese Bemerkung nicht.
Er tippt seinen Namen sowie Geburtsdatum und -ort ein und drückt auf: „Ahnenbaum erstellen“. Dann ist es so weit: Davids Familiengeschichte entfaltet sich Ast um Ast. Ich lasse David Zeit, sich zurechtzufinden. Seine Pupillen flackern wild und zugleich fokussiert von Name zu Name. Am Rand des Stammbaums steht, dass die Daten etwa aus Kirchenbüchern, Standesamtsregistern, Steuerlisten und privaten Archiven stammen. Bei einigen Vorfahren werden lediglich Vorname, Nachname, Geburts- und Sterbedaten angezeigt, bei anderen zusätzlich Heiratsdaten, Berufe, Wohnorte – und sogar Bilder.
Davids Blick bleibt nur bei wenigen Ahnen länger hängen, manchmal ein knappes Nicken, manchmal ein „Mhm“. Mich erstaunt die seriöse Miene seiner Vorfahren, die größtenteils ehrenwerte Berufe ausübten, vom Konditor bis zum Zollbeamten. Doch auch Scheidungen häufen sich, und fast genauso oft taucht Ostfriesland bei den Geburtsregionen auf. Das könnten Hinweise auf sein impulsgesteuertes Wesen und seine verlangsamte Leitung sein. Wobei ich weiß, dass diese hobbypsychologische Analyse mich nicht mal für einen kurzen Experteneinspieler bei Frauke Ludowig zum Thema „Krach im englischen Königshaus“ qualifizieren würde.
David scrollt weiter, tiefer in seine Geschichte hinein, bis er plötzlich die Augen zusammenkneift und auf den Bildschirm zeigt. „Guck dir den Typen mal an: Zillo Zeisenvaart. Was der für dichte, wellige Haare trägt, in krassestem Walnussbraun – die reichen ihm bis zu den Schultern, und keine Strähne sitzt schief. Und dieser Blick aus seinen geschminkten Augen, als würde er in dich eindringen.“ Ich gebe es ungerne zu, aber auch mich bannt diese Erscheinung: Ein schiefer Zylinder aus maronenfarbenem Filz mit einer breiten Krempe, die sich wie ein Flügel zu den Seiten ausbreitet. Darauf sind getrocknete schwarze Lilien verteilt.
David deutet auf einen Link unter dem Bild. „Schau mal, es gibt einen Wikipedia-Artikel über ihn. Robert, ich bin der Sohn eines Promis!“ „David, halt die Klappe. Willst du die anderen mit so einer bekloppten Info wecken? Erstens kannst du nicht der Sohn eines im Jahr 1812 Geborenen sein, und zweitens passt ‚schräger Scharlatan‘ wohl besser zu dieser Figur als ‚Promi‘. Was dann wiederum ganz ausgezeichnet mit dir kongruiert.“
„Kongru … was?“ „Schluss jetzt – ich warte schon lange genug“, sage ich und nehme seine Hand von der Maus. „Schau dir den Wikipedia-Eintrag an, dann lass ich mir meinen Stammbaum anzeigen, und danach gehen wir ins Bett.“ Ich klicke auf den Link. Die Seite öffnet sich. ‚Ein vor allem in der niederländischen Provinz Limburg bekannter Künstler des Symbolismus‘, ‚Nachkommen mit einer Vielzahl von Frauen‘, ‚Sein Geburtshaus in Maastricht ist heute ein Museum‘. David beugt sich immer näher zum Monitor.
Nach etwa einer Minute atme ich genervt auf. „Fertig?“ David murmelt: „Neidisch, was? Na gut, ich lese morgen weiter.“ Ich lade Davids Stammbaum herunter und positioniere den Cursor im Suchfeld. Es soll jetzt endlich um mich gehen …
Nun ja: Die folgenden Minuten sollten die Beziehung zwischen David und mir nachhaltig auf den Kopf stellen – durch ein völlig unerwartetes Suchergebnis. Doch mehr dazu in der nächsten Story. Nur wenige Klicks entfernt ist übrigens auch ein Gespräch mit meinem Steuerberater. So ist das eben in einer modernen Kanzlei: Man steht seinen Kunden auch per Video-Tool zur Verfügung. So lassen sich rasch offene Fragen zur Steuererklärung besprechen.
Wie hat Ihnen unser Artikel gefallen?
Wir freuen uns auf Ihr Feedback entweder an die Steuerkanzlei Wilm oder an unseren Gast-Autor Dr. André Gärisch direkt.
Kontakt zu uns
Steuerkanzlei Wilm
Dipl.-Kfm. Roland Wilm
Steuerberater
Veitsberg 2
97618 Hohenroth
Tel: 09771 / 63 07 99-3
Fax: 09771 / 63 07 99-4
Öffnungszeiten
Mo - Do: 08:00 - 16:00 Uhr
Fr: 08:00 - 12:00 Uhr
Telefonische Sprechzeiten
Mo - Fr: 09:00 - 12:00 Uhr